Tonplastik

Tonplastik
Tonplastik,
 
plastische Werke, besonders der Kleinkunst, aus meist ungebranntem, luftgetrocknetem Ton; Werke aus gebranntem Ton, v. a. aus der Antike und der italienischen Kunst des Quattrocento, heißen auch Terrakotten (Terrakotta). In Deutschland entstanden kleinformatige Tonplastiken insbesondere zur Zeit des weichen Stils (z. B. die »Nürnberger Tonapostel«, um 1400; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum). Aus der Renaissance und dem Barock sind zahlreiche Bozzetti aus Ton erhalten. Im 20. Jahrhundert gewann die Tonplastik wieder an Bedeutung durch P. Picasso und J. Miró, die wichtige Anregungen von J. L. Artigas erhielten.
 
Für einige außereuropäische Kulturen hat sich Tonplastik als Bezeichnung gegenüber Terrakotta durchgesetzt, obwohl es sich häufig um gebrannte Tonfiguren handelt.
 
In China wurde Tonplastik v. a. als Grabbeigabe hergestellt: Herausragendes Beispiel ist die Armee von überlebensgroßen, nach dem Brand naturnah kalt bemalten Figuren, die Qin Shi Huangdi in seiner gewaltigen unterirdischen Grabanlage in Stellung bringen ließ. In Gräbern der Hanzeit sind neben Tonmodellen von Häusern, Ställen und Turmbauten sowie anderen Gebrauchsgegenständen zahlreiche kalt bemalte oder mit Bleisilikatglasuren überzogene kleinere Grabfiguren ausgegraben worden. Nach dem Zusammenbruch des Hanreiches bildeten sich in der Zeit der Teilstaaten Lokalstile aus. Grabfiguren der Nördlichen Weidynastie stehen z. B. stilistisch den Ton-Stuck-Plastiken der Höhlentempel nahe. Die naturalistischen, schwungvoll körperbetonten, meist kleinen gebrannten und glasierten Grabfiguren der Tangzeit (Figuren von Ausländern, Damen, Tänzerinnen, Musikantinnen, Zivil- und Militärbeamten, Kamelen, Pferden u. a.) geben ein eindrucksvolles Bild von der kosmopolitischen Kultur dieser Epoche. Aus dem 12. Jahrhundert sind außerdem Plastiken von meditierenden Luohan aus farbig glasiertem Steinzeug erhalten.
 
In Japan ist Tonplastik aus der Frühzeit erhalten: magisch-groteske Tonfigürchen (Dogū) aus der Jōmonzeit und Haniwa aus der Kofunzeit. Aus ungebranntem, auf einen strohumwickelten Holzkern aufmodelliertem Ton entstanden im 8. Jahrhundert viele buddhistische Tonplastiken, zum Teil bemalt und mit eingesetzten Augen, z. B. in Nara die Tonplastik des Nikkō- und des Gakkō-Bosatsu und Ni-ō (Mitte des 8. Jahrhunderts) im Hokkedō des Tōdaiji und eine der 12 göttlichen Generäle (um 750) im Shin-Yakushiji sowie bei Nara die kleinen Statuen von 711 im Hōryūji.
 
Aus dem vorkolumbischen Amerika sind Tonfigurinen in Mesoamerika v. a. aus Tlatilco, Teotihuacán, Remojadas und Jaina überliefert. Von den westmexikanischen Kulturen stammen neben Tonfiguren auch plastisch gearbeitete Keramikgefäße, die sich auch bei den Zapoteken finden (Figurengefäße). Aus dem andinen Gebiet sind Tonfiguren besonders von der Küste Ecuadors (Esmeraldas, Tumaco) und der angrenzenden Küstenregion Kolumbiens überliefert. Figurengefäße stammen v. a. aus der Mochekultur.
 
 
M. Prodan: Chin. Keramik der T'ang-Zeit (a. d. Engl., 1961);
 F. Pratt u. C. Gay: Ceramic figures of ancient Mexico (Graz 1979);
 A. von Wuthenau: Altamerikan. T. (Neuausg. 1980);
 O. Stutzke: Großfigürl. T. in Franken während der Epoche des Weichen Stils (Diss. Heidelberg 1991).

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Ton|plas|tik, die: 1Plastik (1 a) aus 1Ton.

Universal-Lexikon. 2012.

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